von: Dr. med. Gerson Strubel
Ein Netz aus feinsten Blutgefäßen, den Kapillaren, überspannt alle Organe des Körpers und ermöglicht die Abgabe von Sauerstoff und der im Blut vorhandenen Nährstoffe an das Körpergewebe sowie den Abtransport der Abfallprodukte aus dem Gewebe.
Durch unterschiedlich hohe Drücke im arteriellen und venösen Teil der Kapillaren findet ein Austausch von Nährstoffen gegen Stoffwechselabbauprodukte statt. Die Gefäßwand der Kapillare wirkt dabei wie ein Sieb, welches nur für Flüssigkeiten und Stoffe bis zu einer bestimmten Größe durchlässig ist. Einige der Abfallprodukte im Gewebe sind zu groß, um durch die Gefäßwand der Kapillare ins venöse Blut zu gelangen. Die Aufnahme dieser größeren Abfallprodukte erfolgt durch feinste Lymphgefäße, die im Zellzwischenraum beginnen. So werden in 24 Stunden ca. 20 Liter Flüssigkeit und Nährstoffe filtriert. Davon werden ca. 18 Liter Flüssigkeit und kleinere Abfallprodukte von den Blutkapillaren und ca. zwei Liter größere Abfallprodukte und Flüssigkeit vom Lymphgefäßsystem aufgenommen.
Das Lymphgefäßsystem ist kein geschlossener Kreislauf. Es beginnt blind im Gewebe, durchzieht als System immer größer werdender Gefäße fast den gesamten Körper und mündet über den Brustlymphgang kurz vor dem Herzen in den Blutkreislauf.
Die initialen Lymphgefäße als kleinste Einheit des Lymphgefäßsystems befinden sich im Zellzwischenraum und bilden dort ein Netz. Über einen komplexen druckabhängigen Mechanismus nehmen sie die Flüssigkeit aus dem Zellzwischenraum auf. Die feinen Lymphgefäße bündeln sich zu größeren Sammelgefäßen, denen neben der Aufnahme der Lymphflüssigkeit zunehmend eine Transportfunktion zukommt. Im Verlauf des Lymphsystems fällt weiterführenden Gefäßen, den Kollektoren, ausschließlich die aktive Rolle des Lymphtransports zu.
Diese Kollektoren sind in Gefäßsegmente, die sogenannten Lymphangione, gegliedert. Jedes Gefäßsegment wird durch Klappen begrenzt und besitzt eine kräftige Muskelmanschette. Durch aktive Kontraktion wird die Lymphflüssigkeit immer weiter in das nächste Lymphangion gepresst und dadurch transportiert.
In den Lymphknoten wird die Lymphflüssigkeit kontrolliert und gefiltert. Enthaltene Fremdkörper, Zelltrümmer und Krankheitserreger werden von Zellen des Immunsystems unschädlich gemacht. Bei Entzündungen werden außerdem Immunzellen aktiviert. Die Gesamtzahl der Lymphknoten im menschlichen Körper liegt zwischen 600 und 700. Die Form der Lymphknoten ist dabei sehr variabel und kann rund, oval oder auch bohnenförmig sein.
Die Lymphflüssigkeit ist eine wässrige, leicht getrübte Flüssigkeit und enthält die sogenannte „Lymphpflichtige Last“, das heißt große Proteine, Lipide (Fette), Hormone und Enzyme sowie lebende und abgestorbene Zellen beziehungsweise Zellteile, Fremdstoffe, Tumorzellen, Viren und Bakterien. Die Lymphflüssigkeit entsteht aus dem Teil des Blutes, das beim Stoffaustausch nicht in die Blutkapillare rückresorbiert wird.
Eine wichtige Aufgabe des Lymphgefäßsystems ist die Beteiligung an der Aufrechterhaltung des Flüssigkeitsgleichgewichtes im sogenannten Interstitium. Hier, im Zwischenzellgewebe, übernimmt es eine Drainagefunktion und transportiert über die Kapillare die lymphpflichtige Last. Unterstützt wird der Lymph-transport durch den Unterdruck beim Einatmen, durch Muskelkontraktionen, die Pulswelle der Arterien, die Eingeweideperistaltik sowie durch die Kontraktion der Lymphkollektoren.
Die zweite große Aufgabe des Lymphgefäßsystems ist die Immunabwehr. Erkrankungen des Blut- oder Lymphgefäßsystems können zu krankhaften Veränderungen der für den Stoffaustausch notwendigen Druckverhältnisse führen. Als Folge sind die Nähr- und Sauerstoffversorgung der Körperzellen, die Entsorgung von Stoffwechselabbauprodukten aus dem Gewebe und die Wanderung von Immunzellen herabgesetzt. Dies kann unter anderem zu schwerwiegenden Gewebsschädigungen (Ulkus), Schmerzen sowie zu einer eingeschränkten Immunabwehr führen.