6. Lymphselbsthilfetag und 8. Lymphtag Hamburg

Eine lohnenswerte Veranstaltung

Am 18. und 19. Juni fand der 6. Lymphselbsthilfetag und 8. Lymphtag Hamburg, in Kooperation mit der Lymphselbsthilfe Hamburg, im Gymnasium Lohbrügge statt. Die Veranstaltung wurde wegen Corona nur unter konsequenter Einhaltung der geltenden Standardhygieneregeln ermöglicht.

120 TeilnehmerInnen, Helfer und Referenten, die geimpft, genesen oder aktuell negativ getestet waren, nahmen mit großer Freude an dieser interessanten und facettenreichen Veranstaltung teil. Susanne Helmbrecht, Vorsitzende der Lymphselbsthilfe e.V., und Regine Franz, Leiterin der Lymphselbsthilfe Hamburg Eilbek und Stormarn sowie Landessprecherin für Hamburg und Schleswig-Holstein, war es gelungen, herausragende ReferentInnen aus ganz Deutschland für interessante Vorträge und Workshops zu gewinnen.

Lip- und Lymphödeme fordern den betroffenen Patienten sehr viel Engagement und Selbstdisziplin in der Therapie ab. Passend dazu bot Ralf Gauer am Freitagnachmittag einen Schnupperworkshop zum GALLiLy-Selbstmanagement an. Welche Grifftechnik fördert eine effektive Lymphdrainage und wie erfolgt die anschließende Bandagierung? In diese und andere Fragen konnte ein kleiner Einblick gewonnen werden.

Die Intermittierende Pneumatische Kompression wurde von den Firmen Bösl und Villa Sana erläutert und demonstriert. Diese Maßnahme ersetzt keinesfalls die MLD, stellt aber eine gute Ergänzung dar und kommt bei längerem Pausieren der MLD zum Einsatz.

Der fachgebundene Nachmittag endete mit der Beantwortung der Frage Was leistet die Lymphdrainage mit der Tiefenoszillation? Rolf Prischtscheptschuk gab dabei seine umfangreiche Therapieerfahrung fachkundig weiter. Interessierte TeilnehmerInnen hatten anschließend die Möglichkeit, der Mitgliederversammlung der Lymphselbsthilfe e. V. beizuwohnen.

Der eigentliche Lymphselbsthilfetag fand dann am Samstag statt. Nach der Begrüßung durch Regine Franz referierte Markus Jonczyk über Neues aus der Lymphologie. Dabei wurde Basiswissen ins Gedächtnis zurückgerufen: Die Lymphe als Zwischenzellflüssigkeit ist ein halb-offenes Transportsystem; die Milz ist ein Teil des Lymphsystems. Es gilt, lokale Entzündungen bzw. Schwellungen zu vermeiden, da diese einen Nährboden für eine Wundrose/Erysipel darstellen. Die MLD fördert eine Dehnung der Lymphgefäßwände. Ergänzendes Lymphtaping kann den Lymphabfluss verstärken. Ultraschalluntersuchungen und Dopplerverschlussmessung können die Diagnostik und gezielte Therapiemaßnahmen unterstützen.

Susanne Helmbrecht gab anschließend interessante Erläuterungen zum Thema Gesund und Aktiv Leben mit Lip- und Lymphödem. Dieses Konzept eines effektiven Selbstmanagements befähigt zu einer höheren Gesundheitskompetenz. Wichtig ist dabei eine partnerschaftliche therapeutische Beziehung. Unter Anwendung der Motivationalen Strategie werden die Bedürfnisse der PatientInnen herausgearbeitet. Im Rahmen der Umsetzungsstrategie wird eine Entscheidung von „ich will“ über „ich versuche“ zu „ich mache“ getroffen. Dies erfordert eine Veränderungsbereitschaft hin zu der Erkenntnis: „Ich fühle mich zu einem besseren Selbstmanagement befähigt“.

Nach der wohlverdienten Kaffeepause wurden schließlich zwei alternative Vorträge angeboten. Dr. Anja Boos und Philipp Kruppa stellten die Erprobungsstudie Liposuktion Lipödem (G-BA) – Heilsbringer für Kassenpatienten? vor, während Alina Abu-Ghazaleh über Möglichkeiten operativer Verfahren beim Lymphödem aufklärte. Da ich selbst von einem Lymphödem betroffen bin, war für mich persönlich die letztgenannte Thematik von besonderem Interesse.

Es werden dabei ablative von rekonstruktiven Verfahren differenziert. Das ablative Verfahren findet Anwendung beim fortgeschrittenen Lymphödem, welches eine Gewebe- und Umfangsreduktion erfordert. Hier ist die Liposuktion indiziert. In der Folge muss die Kompressionsbestrumpfung zur Vermeidung einer erneuten Anschwellung lebenslang Tag und Nacht getragen werden. Bei den rekonstruktiven Verfahren bieten sich zwei Möglichkeiten an. Entweder werden unter Anwendung supermikrochirurgischer Technik lymphovenöse Anastomosen angelegt. Dabei werden Venen unter dem Mikroskop mikrochirurgisch an Lymphgefäße angeschlossen, wodurch „Verbindungskanäle“ entstehen. Dieser Maßnahme sollten eine Infrarotlymphographie sowie eventuell zusätzlich ein funktionelles Lymph-MRT zur genauen Darstellung und Lokalisierung der Lymphbahnen vorausgehen.

Eine zweite Möglichkeit ist der Lymphknotentransfer. Bei diesem Verfahren werden Lymphknoten aus der Leiste, von der seitlichen Rumpfwand oder aus dem Bauchraum zum betroffenen Arm/Bein transferiert und mikrochirurgisch an die entsprechenden Gefäße angeschlossen. Dieses Verfahren ermöglicht die Bildung neuer Lymphbahnen, die die angestaute Lymphe wieder abtransportieren können.

Diese drei Verfahren erfordern neben hohem Geschick und großer Erfahrung des Operateurs eine umfangreiche vorangegangene Diagnostik. Für mich war es sehr beeindruckend, welche Möglichkeiten sich heute zur operativen Reduktion eines Lymphödems bieten. Frau Ghazaleh stellte die drei Verfahren äußerst spannend dar.

Eine sehr delikate Tomatensuppe erfreute in der Mittagspause Leib und Seele. Das wunderbare Sommerwetter ermöglichte den Genuss draußen auf dem Schulhof. Dabei blieb auch genügend Zeit, sich in der begleitenden Industrieausstellung über unterschiedliche Bestrumpfungen, Bandagen, Lymphgeräte, etc. zu informieren. Zwölf Firmen boten hier ein umfangreiches und interessantes Angebot.

Nach der Mittagspause hatte ich wie die anderen TeilnehmerInnen wieder die Qual der Wahl: Einerseits informierte Dr. Johannes Sander über Adipositas: Für wen ist eine Operation die richtige Entscheidung?

Ich entschied mich für den parallel stattfindenden Workshop Entstauungsgymnastik. Der Sporttherapeutin Annette Dunker gelang es mit viel Esprit und tollen Übungen, die Mittagsmüdigkeit zu vertreiben. Zahlreiche Segmente der Gymnastik lassen sich auch prima in den Alltag integrieren.

Karina Ramuschkat, zertifizierte Lymphfachberaterin, erläuterte und demonstrierte anschließend bei Anziehen mit Pfiff abgestimmt auf individuelle Bedürfnisse unterschiedliche Anziehhilfen.

Peter Kern aus Leipzig und Werner Franz aus Hamburg stellten in ihrem Workshop Was kann ich als Partner/Angehöriger tun? Wie geht es mir als Partner/ Angehöriger? auf beeindruckende Weise die täglichen Herausforderungen und anfänglichen Schwierigkeiten im Umgang mit ihren entsprechend erkrankten Partnerinnen dar. Warum braucht sie so viel Zeit für diesen kurzen Weg? Warum ist sie nach dieser kurzen Strecke schon erschöpft? Warum schauen sie die Leute so an? Die Bewältigung des Alltags erfordert viel gegenseitiges Verständnis und Liebe. Warum nicht die Partnerin zum Lymphselbsthilfetag oder Lymphtag begleiten und auch selbst am Programm teilnehmen? Entsprechende Vorträge können das Verständnis für individuelle Einschränkungen stärken. Veranstaltungen in anderen Städten ermöglichen aber auch Besichtigungen; warum sich also nicht mit anderen Angehörigen zu einem sogenannten „Herrenprogramm“ treffen?

Im letzten Fachvortrag informierte Dr. Barbara Fischer über Die Rolle der Schilddrüse beim Lymphödem. Susanne Helmbrecht erläuterte den Entstehungsprozess der neuen Heilmittelrichtlinie im parallel stattfindenden Workshop Was ändert sich mit der neuen Heilmittelrichtlinie? Diese Richtlinie, an die alle Ärzte und Versorger gebunden sind, regelt grob gesagt, welche Behandlungen die gesetzlichen Krankenkassen ihren Mitgliedern erstatten.

Um 16.00 Uhr endete schließlich dieser informative Fortbildungstag. Ich nahm daraus viele Denkanstöße und anregende Tipps für den Alltag mit. Außerdem konnte ich diese analoge Veranstaltung im Kreise vieler sympathischer Menschen sehr genießen.

Besonderer Dank gilt den gesetzlichen Krankenkassen und der Aktion Mensch für die finanzielle Unterstützung sowie dem Team der Lymphselbsthilfe e. V. und Regine Franz als „Hausherrin“ samt Team für die Organisation.

Seien wir gespannt auf den Themenreigen in 2022, dann hoffentlich ohne Corona-Einschränkungen.

Susanne Graack